Krankenhausküche: Die 3 größten Hygiene-Sünden

Hygiene in der Krankenhausküche sollte höchste Priorität haben. Aber immer wieder kommt es vor, dass Keime über das Krankenhausessen verbreitet werden. Warum passieren solche Fehler in der Speisenversorgung? Und wie können sie vermieden werden? Unser Autor, selbst jahrelang Küchenchef, gibt einen Einblick in die manchmal schmutzige Welt der Krankenhausküchen.
Fast 40 Jahre lang habe ich Restaurant- und Krankenhausküchen geleitet und fast ebenso lang als Berater Küchen-Verantwortliche im Krankenhaus begleitet. In dieser Zeit habe ich so einige dramatische Fälle gesehen und erlebt, die zum Glück nicht in meiner Verantwortung lagen. Ein schlimmer Fall ereignete sich zum Beispiel vor einigen Jahren in einem 1.000-Betten-Haus in Hessen. Dort infizierten sich 270 Menschen mit Salmonellen, zwei Patienten starben an den Folgen. Ursache dafür war ein kontaminiertes Dessert aus der Krankenhausküche. Die Großküche des Klinikums wurde mehrere Wochen vom Veterinäramt geschlossen, um den Fall zu untersuchen. Und in einer süddeutschen Klinik erkrankten mehr als 100 Menschen nach dem Verzehr eines Reisgerichts. Auch hier musste die Klinikküche vorübergehend geschlossen werden. Und wenn die Klinikküche zu ist, können Sie meistens gleich das ganze Haus schließen.
Sie sehen schon: Hygieneprobleme in der Krankenhausküche können fatale Folgen haben. In der Gastronomie sind von einem mit Krankheitserregern kontaminierten Essen im schlimmsten Fall vielleicht einige Dutzend Menschen betroffen, im Krankenhaus sind es schnell ein paar hundert. Darunter viele Patienten, für die die gesundheitlichen Auswirkungen schwerwiegend sein können – etwa Senioren, Schwangere, kleine Kinder oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Krankenhausküchen tragen also eine besonders große Verantwortung bei der Herstellung von Speisen. Und trotzdem sehe ich einige Fauxpas wieder und wieder.
Die 3 häufigsten Hygiene-Sünden in der Krankenhausküche
Obwohl die Mitarbeitenden in der Küche und alle Verantwortlichen regelmäßig zu Lebensmittelsicherheit und Hygiene geschult werden, kommt es immer wieder zu Fehlern. Dies sind die häufigsten:
Hygiene-Sünde 1: Räumliche Mängel
In einem Haus kam ein Haustechniker mit seinem Werkzeug in die Küche, um dort ein Loch zu bohren. Auf Nachfrage, wo er herkäme, sagte er, dass er gerade von der Station kommen würde und wenig Zeit hätte. Er trug weder Schutzkleidung noch führte er eine Händedesinfektion durch, obwohl er vom unreinen in den reinen Bereich wechselte.
Dabei ist die Trennung von reinen und unreinen Bereichen in der Küche ein essenzielles Prinzip. Werden diese Zonen nicht strikt eingehalten, kann es leicht zu Kreuzkontaminationen kommen. Darüber hinaus stellen auch bauliche Mängel eine häufig unterschätzte Herausforderung dar. Offene Kabelkanäle, Dübellöcher in den Wänden oder die Verwendung von Holzmaterialien in der Küche erschweren eine gründliche Reinigung und erhöhen das Risiko für Keimansammlungen.

Hygiene-Sünde 2: Fehlerhafte Lagerung von Lebensmitteln
Es gibt Lebensmittel mit Verfallsdatum und Verbrauchsdatum. Ein Verfallsdatum gibt an, wie lange ein Lebensmittel mindestens haltbar ist. Das Verbrauchsdatum gibt an bis zu welchem Zeitpunkt ein Lebensmittel gefahrlos verzehrt werden kann. Räucherlachs in Scheiben ist ein solches Lebensmittel mit Verbrauchsdatum. Oft ist dem Küchenpersonal der Unterschied zwischen diesen beiden Grenzwerten nicht bekannt und so gelangen abgelaufene Lebensmittel in die Speisenversorgung.
Auch wenn Lebensmittel nicht ausreichend gekühlt oder falsch verpackt werden, können sich auf ihnen Krankheitserreger entwickeln. Hier ist es besonders wichtig, die Temperaturvorgaben einzuhalten und die Kühlketten nicht zu unterbrechen. Gelieferte Lebensmittel müssen so schnell wie möglich in den Kühlraum gebracht werden. Das FIFO-Prinzip (s.u.) verhindert, dass ältere Lebensmittel vergessen werden.

Hygiene-Sünde 3: Mangelhafte Personalhygiene
In einer Klinikküche war auf den ersten Blick alles ordnungsgemäß. Die Mitarbeiter trugen saubere, weiße Bekleidung und Kopfbedeckung. Nur der Chef des Krankenhauses trug während des Termins seine Straßenkleidung. Er muss wohl gedacht haben, die Keime machen vor dem Chef Halt.
Die unzureichende Einhaltung der Personalhygiene ist einer der gravierendsten Fehler in der Küche. Händehygiene, das Tragen von Schutzkleidung wie Handschuhen und Kopfbedeckungen sowie saubere Arbeitskleidung sind unverzichtbar. Noch immer kommt es vor, dass sich Beschäftigte nach Niesen, Husten oder dem Toilettengang nicht gründlich genug die Hände waschen und desinfizieren, so dass Keime in die Speisen gelangen. Auch Handschuhe schützen nur vor einer Kontamination, wenn sie regelmäßig gewechselt werden.
Solche Vorfälle zeigen, wie entscheidend es ist, Hygienerichtlinien strikt einzuhalten, um die Gesundheit der Menschen im Krankenhaus zu schützen und den Krankenhausbetrieb aufrechtzuerhalten. Entsprechend stark ist der Bereich auch reguliert.
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Regeln für die Hygiene in der Krankenhausküche
Die EU-Verordnungen 852/2004 und 853/2004 legen allgemeine Hygieneanforderungen fest, die für alle Stufen der Lebensmittelkette gelten – vom Bauernhof bis zum Teller („from farm to fork“). Die Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) konkretisiert diese Regeln für Deutschland und definiert detaillierte Anforderungen an den Umgang mit Lebensmitteln. Zusätzlich regeln Gesetze wie das Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder Normen wie DIN 10508 (Temperaturen für Lebensmittel) den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln.
Institutionen wie das Robert Koch-Institut (RKI), die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) tragen mit wissenschaftlichen Empfehlungen dazu bei, die Hygienestandards weiter zu verbessern. So liefert das RKI spezifische Hygieneempfehlungen für Krankenhäuser, während die DGKH-Leitlinien für den Klinikalltag entwickelt. Das BfR fokussiert sich auf die Minimierung von Gesundheitsrisiken und gibt praxisorientierte Hinweise.
HACCP: Der Schlüssel zur Lebensmittelsicherheit
Artikel 5 der EU-Verordnung 852/2004 verpflichtet lebensmittelverarbeitende Betriebe dazu, ein sogenanntes HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Points) umzusetzen. Dazu müssen sie ein Eigenkontrollsystem einrichten. Das heißt, dass die Betriebe selbst kritische Punkte im Verarbeitungsprozess definieren, überwachen und deren Einhaltung oder – im Falle eines Fehlers dessen Behebung – dokumentieren. Lebensmittelbehörden kontrollieren die Einhaltung des Konzepts regelmäßig.
Zu den typischen kritischen Punkten in der Krankenhausküche zählen:
- Anlieferung und Lagerung: Lebensmittel müssen sicher verpackt und sauber angeliefert, korrekt gelagert und bei den richtigen Temperaturen gekühlt werden. Das Prinzip „first in, first out“ (FIFO) sorgt dafür, dass ältere Lebensmittel zuerst verbraucht werden. Es besagt: Was neu geliefert wurde kommt nach hinten, was schon länger im Kühlraum steht, kommt nach vorn und wird zuerst entnommen.
- Zubereitung: Beim Garen müssen hohe Temperaturen erreicht werden, um Keime abzutöten. Speisen, die später wieder aufgewärmt werden, müssen zügig heruntergekühlt werden (z. B. beim Cook-and-Chill-Verfahren).
- Technik: Geräte wie Spülmaschinen müssen regelmäßig überprüft werden. Tägliche Temperaturkontrollen sind notwendig, um sicherzustellen, dass sie heiß genug spülen.
Werden bei der regelmäßigen Prüfung Abweichungen festgestellt, müssen diese sowie die ergriffenen Korrekturmaßnahmen dokumentiert werden.
Kritische Punkte sind also überall dort zu definieren und zu überwachen, wo sich Keime bilden und vermehren könnten. Je mehr Punkte erfasst werden, desto sicherer ist der gesamte Prozess der Speisenherstellung. Eine lückenlose Dokumentation ist darüber hinaus unerlässlich. Ein Teil davon sind Rückstellproben, bei denen bestimmte kritische Speisekomponenten genommen und aufbewahrt werden. Sie können im Ernstfall zur Beweissicherung dienen.
Der Nutzen eines HACCP-Audits
Durch externe Audits können Krankenhausküchen ihre HACCP-Konzepte unabhängig prüfen lassen. Ich selbst rate meinen Kunden fast immer zu einem solchen HACCP-Audit, damit sie auf der sicheren Seite sind. Denn nicht nur lassen sich Schwachstellen im Audit zuverlässig identifizieren. Im Ernstfall lässt sich dadurch auch das fehlerlose Verhalten des Klinikpersonals nachweisen, wie ich selbst erleben konnte: So fiel nach dem Verzehr von Putengeschnetzeltem in der Caféteria eines Klinikums in Süddeutschland auf einen Schlag das komplette OP-Team wegen eines Magen-Darm-Infekts aus. Der OP musste geschlossen werden, was zu herben Erlös-Verlusten für die Klinik führte. Der erste Verdacht fiel auf die Krankenhausküche. Diese wurde jedoch zweimal jährlich einem HACCP-Audit unterzogen. Die Dokumentation war lückenlos und durch eine Rückstellprobe konnte nachgewiesen werden, dass das Putengeschnetzelte nicht Verursacher der Erkrankung war. Die Klinik konnte also beweisen, dass sie keinen Fehler begangen hatte. Durch intensive Nachforschungen fanden Hygienefachleute heraus, dass die Speisen durch herumfliegende Colibakterien von einem benachbarten Feld kontaminiert worden waren. Dank des HACCP-Audits blieb die Klinik somit frei von weiterem Schaden.

Michael Schlicker
Leitung Speisenversorgung, Reinigung & Logistik
Michael Schlicker ist Koch aus Leidenschaft. Viele Jahre arbeitete er als Koch und Küchenleiter in verschiedenen Krankenhäusern. 2005 übernahm er in einer großen deutschen Klinikgruppe die regionale Leitung der Bereiche Speisenversorgung und Reinigung. Im gleichen Konzern leitete er in der Folge unter anderem den zentralen Bereich Reinigung sowie Servicegesellschaften der Zweige Catering, Reinigung und Technik und Logistik. Als geprüfter Sachverständiger kann er HACCP-Audits durchführen und Gutachten dazu erstellen.