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06.2024

Pflegesatzverhandlungen: So holen Sie das Beste für Ihre Reha-Einrichtung heraus

Ein Pfleger hilft einem Patienten in einer Rehaklinik beim Laufen.

Mindereinnahmen während der Pandemie, hohe Sachkosten, zusätzliche Investitionen und das alles bei gleichbleibender Vergütung: Für Reha-Kliniken wird eine auskömmliche Finanzierung immer mehr zur Quadratur des Kreises. Es ist an der Zeit, in den Vergütungsverhandlungen das einzufordern, was für eine optimale Versorgung der Rehabilitanden benötigt wird.

Eigentlich müssten Rehabilitationseinrichtungen eine hohe Priorität im Gesundheitssystem genießen. Denn die Zahl der Menschen, die auf Rehabilitationsleistungen angewiesen sind, steigt von Jahr zu Jahr. Die Alterung der Gesellschaft lässt die Zahl der rehabilitationsbedürftigen Patienten steigen. Auch die Covid-19-Pandemie hat zu einer Zunahme von Patienten mit Rehabilitationsbedarf geführt, die an den Langzeitfolgen der Erkrankung oder an den Folgen von Lockdown und Schulschließungen leiden.

Doch im Gegensatz zu dieser Entwicklung tritt das Vergütungssystem im Reha-Bereich seit vielen Jahren auf der Stelle. Die erbrachten Leistungen werden über die Reha-Fallpauschalen oder die tagesgleichen Pflegesätze von den Kostenträgern nur unzureichend vergütet und die Vergütungssteigerungen auf Basis der Veränderungsrate gleichen die Sach- und Personalkostensteigerungen bei weitem nicht aus. Hinzu kommen Investitionen in Digitalisierung, Qualität und inhaltliche Weiterentwicklung sowie Nachhaltigkeit. Für diese gibt es keine staatlichen Förderprogramme oder Kostenanerkennungen – anders als etwa im Akutbereich mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Und nicht zuletzt konkurrieren Reha-Einrichtungen auch noch mit anderen Einrichtungen im Gesundheitswesen um die immer knapper werdenden Pflege- und Therapiefachkräfte, die angemessen bezahlt werden wollen.

Die Folgen für Reha-Einrichtungen sind fatal. Die finanziellen Herausforderungen belasten die Einrichtungen und gefährden ihr wirtschaftliches Überleben, sodass vielen Häusern die Insolvenz droht. Doch dieses Schicksal ist nicht unabwendbar. Reha-Einrichtungen können vieles tun, um ihre wirtschaftliche Basis zu stärken. Eine wichtige Maßnahme sind erfolgreiche Pflegesatzverhandlungen.

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Herausforderungen für Reha-Kliniken bei den Pflegesatzverhandlungen

Bei den jährlichen Verhandlungen mit den Kostenträgern haben es Reha-Kliniken mit einer Vielzahl unterschiedlicher Verhandlungspartner zu tun. So finanziert die Deutsche Rentenversicherung die Reha für Berufstätige, während die Gesetzliche Krankenversicherung für die Reha von Menschen in Rente aufkommt. Weitere Rehabilitationsträger sind die Bundesagentur für Arbeit, die Gesetzliche Unfallversicherung, die Sozialhilfe und die Öffentliche Jugendhilfe. Klare gesetzliche Vorgaben zur Entgeltermittlung und zum Verhandlungsverfahren fehlen. Viele Rehabilitationseinrichtungen scheuen daher die Konfrontation mit den Kostenträgern in den Verhandlungen, da unklar ist, was am Ende dabei herauskommt. Hinzu kommt ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Verhandlungspartnern. Denn die Rehabilitationsträger entscheiden für ihre Versicherten nicht nur über Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der medizinischen Rehabilitation, sondern auch darüber, in welche Rehabilitationseinrichtung sie diese schicken. Aus Angst, keine Patienten mehr zugewiesen zu bekommen, scheuen sich viele Reha-Manager, höhere Vergütungen zu fordern.

Auch von der Möglichkeit, bei Vergütungsstreitigkeiten die Landesschiedsstelle anzurufen, machen die Rehabilitations-Einrichtungen wenig Gebrauch. Denn auch hier ist die Angst vor dem Verlust von Zuweisungen meist größer als die Hoffnung, am Ende eine höhere Vergütung zugesprochen zu bekommen.

5 Schritte zu erfolgreichen Pflegesatzverhandlungen in der Reha

Eines ist klar: So wie bisher kann es für die meisten Reha-Einrichtungen nicht weitergehen. Vielen steht das Wasser bis zum Hals. Laut der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft erwarten 61,5 Prozent der Reha-Kliniken für 2024 ein Defizit. Die Verhandlungen mit den Kostenträgern müssen daher eine kostendeckende Vergütung zum Ziel haben. Fünf Schritte sind dabei wichtig.

1. Selbstbewusst in die Verhandlungen gehen
Eine defensive Haltung in den Entgeltverhandlungen kann sich keine Reha-Leitung mehr leisten. Deshalb ist es notwendig, sich im Vorfeld der Verhandlungen klarzumachen, dass es zumindest um eine auskömmliche Vergütung geht. Die tatsächlichen Kosten müssen in jedem Fall gedeckt werden, was in den meisten Reha-Einrichtungen schon lange nicht mehr der Fall ist. Nur mit einer existenzsichernden Vergütung können die Rehabilitationskliniken aber ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen und eine sach- und fachgerechte Versorgung der Rehabilitanden sicherstellen. Dafür lohnt es sich, selbstbewusst und wenn nötig auch kämpferisch aufzutreten.

2. Inhaltlich und formal gut vorbereitet sein
Gut vorbereitet ist halb gewonnen. Wer in Vergütungsverhandlungen geht, sollte dies gründlich planen. Das gilt sowohl inhaltlich als auch formal. So sollten die Verhandler die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Pflegesatzvergütung und die kurz vor Abschluss stehenden GKV-Bundesrahmenempfehlungen kennen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Pflegesatzvergütung bezieht sich zwar überwiegend auf Fälle aus der Pflege, lässt sich aber auf den Bereich der Rehabilitation übertragen. Darüber hinaus ist es wichtig, das Leistungsangebot und die Vergütungen der Wettbewerber zu kennen, um einschätzen zu können, ob die eigenen Vergütungen über denen anderer vergleichbarer Einrichtungen liegen. Dem Argument der Kostenträgerseite, die eigenen Preise seien höher als üblich, kann so begegnet werden. Aber auch die Form der Verhandlungsführung ist entscheidend und sollte im Vorfeld gut überlegt sein. Wer sich in der Art der Präsentation von den Mitbewerbern abhebt, beispielsweise mit einer klinikindividuelle Aufschlüsselung aller wesentlichen Kennzahlen, hat gute Chancen, in den Verhandlungen zu überzeugen.

3. Tagesgleiche Pflegesätze statt Fallpauschalen verhandeln
Im vollstationären Bereich gibt es in der Rehabilitation Fallpauschalen mit Verweildauerkorridoren und tagesgleiche Pflegesätze. Bei den Fallpauschalen sind die Reha-Kliniken finanziell schlechter gestellt, weil es immer noch Verweildauerkorridore gibt, die mehr als sechs, teilweise sogar zehn Tage betragen. Das heißt, die Klinik bekommt diese Extratage, in denen der Patient weiter behandelt wird, nicht extra vergütet. Es ist höchste Zeit bei den Verhandlungen von Fallpauschalen zu tagesgleichen Pflegesätzen überzugehen, damit die Rehabilitation für ihre systemrelevante und wichtige Leistung auch angemessen vergütet wird.

Mehrere Personen sitzen an einem Tisch und zeigen auf Dokumente mit Daten.

4. Alle Kosten in die Verhandlungen einbringen
Der Weg des geringsten Widerstandes wäre es, sich mit der Veränderungsrate für die Pflegesatzsteigerung zufriedenzugeben. Damit bleiben die Reha-Träger aber weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Denn die Veränderungsrate bildet lediglich die Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen ab. Dieser Anstieg reicht aber bei weitem nicht aus, um den Anstieg der Kosten in der Rehabilitation auszugleichen. Da die Veränderungsrate aber relativ einfach und ohne Nachweis mit den Kostenträgern vereinbart werden kann, gehen viele Verhandlungspartner diesen Weg. Dabei kann mit den Kostenträgern deutlich mehr als die für 2024 prognostizierte Steigerung von 4,22 Prozent verhandelt werden.

Alle Kostenpositionen, die zur betriebswirtschaftlichen Kalkulation gehören, sollten angesprochen werden. Dazu gehören neben den normalen Kostensteigerungen durch höhere Verbrauchskosten, Lohnerhöhungen oder verbesserte Personalschlüssel auch Besonderheiten der Einrichtung. Dies können z. B. die geografische Lage, ein besonderes Leistungsangebot oder die Einhaltung von Tarifverträgen sein. Vor allem aber sollten Investitionen angeführt werden, die notwendig sind, um die eigene Einrichtung zeitgemäß weiterzuentwickeln und mit den gesetzlichen Anforderungen Schritt zu halten. Dies betrifft insbesondere die Aspekte Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Ohne Investitionen in diesen Bereichen können Reha-Einrichtungen die an sie gestellten Anforderungen schlicht nicht mehr erfüllen. Die zunehmende Vernetzung im Gesundheitswesen erfordert auch in der Rehabilitation Investitionen in IT. Und auch die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zur Nachhaltigkeit kostet Geld. Es ist daher nicht nur legitim, sondern für die Reha-Einrichtung überlebenswichtig, diese Positionen in die Kalkulation einzubeziehen.

5. Im Ernstfall die Schiedsstelle einschalten
Wenn alle guten Argumente in die Verhandlungen eingebracht wurden, aber am Ende keine Einigung erzielt werden konnte, sollte der Gang vor die Schiedsstelle nicht gescheut werden. Schließlich geht es – wie bereits betont – um eine angemessene Vergütung und damit um das Wohl der Patienten. Die Angst vor dem Verlust von Zuweisungen durch die Kostenträger sollte hier überwunden werden. Denn auch die beste Zuweisungsquote hilft am Ende nicht, wenn die Klinik damit nicht kostendeckend wirtschaften kann. Seit 2021 gibt es Schiedsstellen auch im Bereich der Rehabilitation. Sie betrachtet den Fall von unabhängiger Seite und wird möglichst objektiv urteilen.

Pflegesatzverhandlungen mit Ausblick auf 2025

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat per Gesetz den Auftrag bekommen, bis zum 31.12.2025 ein transparentes, nachvollziehbares und diskriminierungsfreies Vergütungssystem zu entwickeln. Damit kommen auf die weit mehr als 800 Reha-Kliniken, die ihre Vergütung mit der DRV verhandeln, neue Herausforderungen zu. Noch sind viele Einzelheiten zu diesem Vergütungssystem unbekannt. Klar ist, dass es einen indikationsbezogenen Basissatz geben wird, der bundesweit gelten wird. Zusätzlich können einrichtungsspezifische und konzeptionelle Besonderheiten vergütet werden. Das heißt: Wer sich bei den einrichtungsspezifischen Komponenten inhaltlich besser aufstellt als die durchschnittlichen Behandlungskonzepte und -angebote, bekommt mehr Geld für seine Leistungen.

Da die Verhandlungen für die Sätze ab 1. Januar 2026 schon Anfang 2025 beginnen, ist es jetzt höchste Zeit für Reha-Manager darüber nachzudenken, wie sich ihre Einrichtung vom Durchschnitt abheben kann. Das kann beispielsweise durch ein erweitertes medizinisches Konzept geschehen. Aber auch Innovation und Nachhaltigkeit spielen eine Rolle bei der Bewertung der einrichtungsbezogenen Komponenten. Das heißt also: Wer jetzt seine Hausaufgaben macht, hat gute Chancen, ab 2026 wirtschaftlich besser dazustehen als der Markt.

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Patrick Zander

Patrick Zander

Leitung Rehabilitation

 

Patrick Zander ist ausgebildeter Restaurantfachmann und startete seine berufliche Karriere in leitenden Positionen der gehobenen Hotellerie. 2007 wechselte er in die Gesundheitsbranche. Er war als Klinikdirektor sowie Geschäftsführer diverser Reha-Standorte in unterschiedlichen Klinikgruppen tätig und führte bzw. begleitete rund 20 Reha-Einheiten operativ. Vor seinem Wechsel zu consus arbeitete er für einen gemeinnützigen Stiftungskonzern, wo er als Geschäftsführer zweier Gesellschaften mit mehreren Reha-Kliniken rund 1.200 Betten sowie 1.100 Mitarbeiter verantwortete.







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