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04.2024

Krankenhausbudget prospektiv verhandeln: Was Sie beachten sollten

Zwei Personen verhandeln im Krankenhaus miteinander.

Krankenhausbudgets sollten prospektiv, also vorausschauend, verhandelt werden. Allerdings hat sich über die Jahre eine Verzögerung eingeschlichen, so dass in den meisten Häusern retrospektiv verhandelt wird. Eine neue Regelung zwingt die Kliniken nun, schrittweise zur Prospektivität zurückzukehren. Welche Herausforderungen damit verbunden sind und wie sie gemeistert werden können.

 

Die jährlichen Budgetverhandlungen mit den Kostenträgern sind in den vergangenen Jahren nicht gerade einfacher geworden. Fixkostendegressionsabschlag, Notfallstufen, Pflegebudget – es gibt immer mehr Regelungen, die es zu beachten gilt. Budgetverhandlungen sind dadurch deutlich komplizierter geworden und haben gleichzeitig einen massiven Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses. Verständlich ist daher, dass die Budgetverhandlungen sich in vielen Krankenhäusern immer langwieriger gestalten. Das Ergebnis ist, dass der Grundsatz der Prospektivität, welcher in der Krankenhausfinanzierung gelten soll, kaum mehr eingehalten wird. Durch neue gesetzliche Fristen sollen Kliniken nun schrittweise zur Prospektivität zurückkehren. Das bringt erwartungsgemäß einige Herausforderungen mit sich.

Auswirkungen von Retrospektivität und Prospektivität

Im Krankenhausfinanzierungsrecht wird an verschiedenen Stellen auf den Grundsatz der Prospektivität hingewiesen. So heißt es etwa im Paragrafen 11 Absatz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG): „Die Vereinbarung ist für einen zukünftigen Zeitraum zu schließen.“ Vielerorts werden die Krankenhausbudgets heute jedoch aus den oben genannten Gründen retrospektiv verhandelt. Für die Liquidität der Häuser ist dies ein ernstes Problem. Denn es bedeutet nicht nur verspätete Zahlungen an die Kliniken. Zusätzlich müssen für die Bilanz Rückstellungen aufgrund von ungeklärten Verhandlungstatbeständen gebildet werden. Aber es hat auch durchaus Vorteile, welche den Krankenhäusern in den letzten Jahren die mit der Budgetverhandlung verbundene Arbeit erleichtern konnten: So steht bei einer retrospektiven Verhandlung schon eindeutig fest, wie viele Casemix-Punkte in einem Jahr erbracht wurden. Auch beim Pflegebudget hat diese Situation den Vorteil, dass zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits die Pflegepersonalkosten des Jahres feststehen, wodurch viel Diskussionsstoff aus der Verhandlung genommen wird.

Die neuen Regelungen zur Prospektivität

Mit der Verabschiedung des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes (KHPflEG) Ende 2022 schrieb der Gesetzgeber neue Fristen für die Budgetverhandlungen ab dem Jahr 2021 in das KHEntgG. Damit soll der Zeitraum, über den in den Budgetverhandlungen gesprochen wird, wieder Schritt für Schritt aus der Vergangenheit in die Zukunft geführt werden. Halten die Krankenhäuser die Fristen nicht ein, drohen Vergütungsabschläge. Das erste Jahr, in dem teilweise prospektiv verhandelt werden soll, ist laut dem neuen Absatz 6 im Paragrafen 11 des KHEntG das Jahr 2025. Das heißt, dass die Budget-Unterlagen für dieses Jahr bis zum 30. September bei den Kostenträgern eingereicht werden müssen. Bereits für das Jahr 2026 soll dann komplett im Voraus verhandelt werden. Das heißt, die Unterlagen müssen dann schon bis zum 31.12.2025 eingereicht werden.
Tabelle mit Stichtagen zur Abgabe der Budgetdaten

Herausforderungen bei prospektiven Verhandlungen

Die größte Herausforderung beim Übergang zu prospektiven Budgetverhandlungen ist die Unsicherheit über die Zukunft. Denn bei bereits bekannten Ganzjahresdaten ist auch die Forderung bei manchen Themen unstrittig.

Leistungsplanung
Werden bei den jährlichen Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen Mehrleistungen gegenüber dem Vorjahr vereinbart, wird der Fixkostendegressionsabschlag (FDA) fällig. Das bedeutet, die Vergütung der zusätzlichen Leistungen wird um bis zu 35 Prozent gekürzt. Das Krankenhaus sollte eine realistische Leistungsmenge für das Folgejahr schätzen, aber nicht zu viele DRG-Punkte vereinbaren, um keinen zu hohen FDA zu zahlen. Einen zu hoch vereinbarten FDA erhält man auch dann nicht zurück, wenn die Leistungen unter den Erwartungen zurückbleiben. Werden andererseits zu niedrige Leistungsmengen geschätzt und anschließend mehr Leistungen erbracht, als im Budget vereinbart, muss die Klinik einen Mehrerlösausgleich von 65 Prozent dieses mehr erlösten Geldes an die Kostenträger zurückzahlen. All diese Überlegungen sind einfacher, wenn die Leistungsdaten für das vergangene Jahr schon bekannt sind – also retrospektiv verhandelt wird. Bei einer prospektiven Verhandlung sind daher gut ausgearbeitete Strategien nötig, welche die Zahlen auch mit der Medizinstrategie des Hauses, der generellen Leistungsentwicklung, Veränderungen im DRG-Katalog und unzähligen weiteren Aspekten in Verbindung bringen.

Pflegebudget
Die prospektive Verhandlung des Pflegebudgets bringt weitere Herausforderungen mit sich. So ist es in manchen Jahren schlichtweg unmöglich, im Vorfeld zu sagen, wie hoch die Tariferhöhung für Pflegekräfte im kommenden Jahr ausfallen wird. Beispielsweise gab es im Jahr 2022 im Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) auch eine Erhöhung der Pflegezulage von 70 Euro auf 120 Euro sowie stark erhöhte Zulagen für Samstagsarbeit, wodurch die tatsächliche Tariferhöhung für viele Pflegekräfte deutlich stärker ausfiel als die generell kommunizierten 1,8 Prozent. Das macht es umso wichtiger, eine an mehreren Punkten gut ausgearbeitete Verhandlungsstrategie zu entwickeln: Die Forderung muss hoch genug sein, um alle Eventualitäten zu berücksichtigen, die sich im nächsten Jahr ergeben könnten und man wird vermutlich jede Änderung zum Vorjahr genau begründen müssen.

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Auswirkung der Krankenhausreform auf die Verhandlungen

Zwar sind die Details der Krankenhausreform noch lange nicht final, doch mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich vieles verändern. Die größte Veränderung mit Bezug zu den Budgetverhandlungen wird vermutlich die Einführung von Vorhalte-Bewertungsrelationen haben, wodurch nur noch ein Teil der erbrachten Leistungen des Hauses relevant in der Budgetverhandlung wäre. Denn künftig sollen 60 Prozent der Betriebskosten durch Vorhaltepauschalen und nur noch 40 Prozent über Fallpauschalen (DRGs) abgerechnet werden. Wie so oft, wenn sich Regelungen verändern, wird dies die Budgetverhandlungen jedoch sicherlich nicht vereinfachen, sondern eher noch weiter verkomplizieren. Schon jetzt gibt es Überlegungen, ob die Planfallzahlen bei der neuen Krankenhausplanung Auswirkungen auf den FDA haben sollten oder nicht. Und gerade solche Unsicherheiten werden in den nächsten Jahren sicherlich noch stark zunehmen, was es umso wichtiger macht, für die jährlichen Budgetverhandlungen auf Spezialistenwissen zurückzugreifen, um gute Ergebnisse zu erzielen

Gute Vorbereitung wird noch wichtiger

Die Rückkehr zu prospektiven Budgetverhandlungen bringt nicht wenige Herausforderungen für Kliniken mit sich. Doch hat sie den entscheidenden Vorteil, dass Zahlungen schneller fließen und die Planungssicherheit steigt. Umso wichtiger ist es, dass die Budgetverhandlungen gut vorbereitet und geführt werden. Denn schlechte Verhandlungsergebnisse werden ein Haus bis zur nächsten Verhandlung verfolgen, die erst ein Jahr später stattfindet. Und so kann die Freude über schnelles Geld plötzlich in große Sorgen umschlagen.

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Lars Neufer

Lars Neufer

Leitender Budgetverhandler

 

Bereits während seines Studiums der Gesundheitsökonomie sammelte Lars Neufer Erfahrung im Qualitätsmanagement und im Controlling verschiedener Krankenhäuser. Nach seinem Studium arbeitete er als Strategischer Medizincontroller bei einem großen Unternehmen im Sozial- und Gesundheitswesen mit Sitz in Neuss. Darüber hinaus war er als Dozent für Gesundheitsmanagement an einer privaten Hochschule tätig.






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