Blog | Fachbeitrag
02.2025

Digitalisierung im Krankenhaus: Ist die Cloud Fluch oder Segen?

Ein Engel und ein Teufel sitzen auf einer Wolke und schauen in einen Laptop.

Krankenhäuser stehen aktuell vor der Herausforderung, die Weichen in Richtung digitale Gesundheitsversorgung zu stellen. Eine Möglichkeit dafür ist der Umzug der IT-Infrastruktur in die Cloud. Welche Vorteile es bringen kann und was bei der Entscheidung zu beachten ist, erklärt unser eHealth-Experte Jan Becker.

 

Jetzt mal unter uns: Als Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel damals von „Neuland“ sprach und damit das Internet meinte, da hat sie Ihnen doch auch aus dem Herzen gesprochen, oder? Keine Sorge, Ihnen geht es wie vielen anderen auch. Wenn ich in Krankenhäusern im Einsatz bin, erlebe ich häufig, wie groß die Berührungsängste gegenüber der digitalen Technik noch sind. Eine neue Software hier, eine Anwendungsschulung da, und sobald etwas nicht funktioniert, kennt sich keiner mehr aus. So erleben viele Klinikmitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag die Digitalisierung – und sind nicht selten genervt.

Doch eines ist klar: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist gekommen, um zu bleiben. Und gerade jetzt stehen viele Krankenhäuser vor der Entscheidung, wie sie ihre digitale Infrastruktur fit für die Zukunft machen. Die Millionenbeträge aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) sind geflossen oder fließen noch, die elektronische Patientenakte steht kurz vor dem flächendeckenden Roll-out und die in der Krankenhausreform geplante sektorenübergreifende Versorgung braucht künftig eine gut funktionierende Vernetzung der einzelnen Leistungserbringer. Es ist also an der Zeit, sich ganz grundsätzliche Fragen zur klinikeigenen IT-Architektur zu stellen.

Eine dieser Fragen ist die, ob lokal neue Software angeschafft werden oder die gesamte IT in die Cloud ausgelagert werden soll. Eine solch tiefgreifende Entscheidung will gut überlegt sein. Ich möchte Ihnen hiermit gern ein paar Denkanstöße zum Thema geben.

Was ist eine Cloud?

Im Wesentlichen beschreibt die Cloud ein IT-Modell, bei dem Daten, Anwendungen und Rechenleistungen nicht mehr lokal auf einzelnen Rechnern oder Servern innerhalb des Krankenhauses gespeichert und verarbeitet werden. Stattdessen befinden sich diese Ressourcen auf externen Servern, die über das Internet oder ein geschlossenes Netzwerk erreichbar sind. Dadurch können Daten von unterschiedlichen Standorten aus sicher abgerufen und verarbeitet werden, ohne dass Leistung oder Sicherheit darunter leiden.

Einsatzgebiete von Cloud-Technologie in Krankenhäusern

​Stellen Sie sich vor, alle relevanten Patientendaten sind jederzeit abrufbar – egal, ob im OP, auf der Intensivstation oder in der externen Fachklinik. Genau das ermöglicht die Cloud. Schluss mit Papierakten, die von A nach B getragen werden müssen, oder IT-Systemen, die an feste Arbeitsplätze gebunden sind. Die Daten sind sicher gespeichert und gleichzeitig sofort verfügbar – für alle, die sie brauchen, und nur für diese. Besonders in der Zusammenarbeit mit externen Partnern wie Fachärzten oder Reha-Kliniken eröffnet das völlig neue Möglichkeiten.

Auch bildgebende Verfahren wie CT- oder MRT-Scans lassen sich in der Cloud speichern und von Experten unabhängig vom Standort aus analysieren. Darüber hinaus können auch KI-Anwendungen deutlich einfacher in die Cloud integriert werden als in eine lokale IT-Infrastruktur. Das spart Zeit in der Diagnostik und sorgt für eine effizientere Behandlung. Und Hand aufs Herz: Wer hat in der Vergangenheit nicht schon einmal verzweifelt auf eine CD mit Röntgenbildern gewartet, die dann doch nicht lesbar war?

Ein weiteres Anwendungsfeld ist das Krankenhausinformationssystem (KIS). Während solche Systeme früher in der hauseigenen IT verankert waren, gibt es heute immer mehr cloudbasierte Lösungen. Das bedeutet weniger Wartungsaufwand, da Updates und Sicherheitsmaßnahmen direkt vom Anbieter übernommen werden. Gleichzeitig steigt die Ausfallsicherheit, denn moderne Cloud-Anbieter setzen auf redundante Rechenzentren, sodass selbst bei technischen Problemen kein Datenverlust droht. Dabei werden Daten, Server und Netzwerke in mehreren, voneinander unabhängigen Rechenzentren parallel betrieben, sodass ein Ausfall einer einzelnen Einrichtung keine schwerwiegenden Konsequenzen hat.

Und dann wäre da noch die Telemedizin. Die Cloud macht es möglich, dass Patienten per Video konsultiert werden, medizinische Geräte Daten in Echtzeit übermitteln und verschiedene Leistungserbringer nahtlos vernetzt werden. Gerade in Zeiten, in denen sektorenübergreifende Versorgung immer wichtiger wird, kann das ein echter Gamechanger sein – für Patienten, für Ärzte und letztlich für die gesamte Versorgungsqualität.

»Hand aufs Herz: Wer hat in der Vergangenheit nicht schon einmal verzweifelt auf eine CD mit Röntgenbildern gewartet, die dann doch nicht lesbar war?«

Die Vorteile der Cloud für Ihr Krankenhaus

Warum es sich lohnt, ernsthaft über den Umstieg auf die Cloud nachzudenken, zeigen die folgenden Vorteile:

Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung
Die IT-Kosten in Krankenhäusern sind hoch – und sie steigen stetig. Eigene Server, Wartungsverträge, Updates, Sicherheitsmaßnahmen – all das kostet nicht nur Geld, sondern bindet auch wertvolle personelle Ressourcen. Der Umstieg auf Cloud-Lösungen kann hier eine echte Entlastung sein. Statt in neue Hardware zu investieren setzen Sie damit auf flexible, bedarfsgerechte Lösungen. Sie zahlen nur für die Ressourcen, die Sie tatsächlich nutzen – nicht für überdimensionierte Serverkapazitäten, die im Alltag oft nur zu einem Bruchteil ausgelastet sind. Das bedeutet nicht nur eine effizientere Nutzung der Mittel, sondern auch eine spürbare Entlastung Ihrer IT-Abteilung.

Verbesserte Patientenversorgung
Am Ende geht es immer um eines: die bestmögliche Versorgung der Patienten. Und genau hier kann die Cloud dazu beitragen, Prozesse zu beschleunigen und die Qualität der medizinischen Behandlung zu verbessern. Stellen Sie sich vor, ein Notfallpatient wird eingeliefert – und mit wenigen Klicks sind alle relevanten Vorbefunde, Medikationspläne und Laborwerte abrufbar, egal ob auf der Station, in der Radiologie oder in der Facharztpraxis außerhalb des Krankenhauses. Keine langen Wartezeiten, keine doppelte Diagnostik, keine unnötigen Verzögerungen. Die Cloud sorgt dafür, dass medizinische Informationen genau dort verfügbar sind, wo sie gebraucht werden – in Echtzeit und ohne Medienbrüche.

Datenschutz und Sicherheit
Datenschutz ist im Gesundheitswesen kein Nice-to-have, sondern eine absolute Pflicht. Die Angst, Patientendaten in die Cloud auszulagern, ist deshalb verständlich. Doch tatsächlich bieten moderne Cloud-Lösungen oft ein höheres Sicherheitsniveau als klassische lokale Server. Warum? Weil professionelle Anbieter kontinuierlich in modernste Sicherheitsmaßnahmen investieren – von hochsicheren Rechenzentren über verschlüsselte Datenübertragung bis hin zu strengen Zugriffskontrollen. Während in vielen Krankenhäusern IT-Sicherheit nur ein Bereich unter vielen ist, setzen Cloud-Anbieter ihr gesamtes Know-how genau darauf. Dazu kommen umfassende Compliance-Mechanismen, die sicherstellen, dass alle gesetzlichen Datenschutzanforderungen – von der DSGVO bis hin zu branchenspezifischen Vorgaben – konsequent eingehalten werden. Kurz gesagt: Die Cloud kann nicht nur effizienter, sondern auch sicherer sein als klassische IT-Strukturen. Entscheidend ist, den richtigen Anbieter zu wählen und klare Datenschutzkonzepte zu implementieren.

Risiken beim Cloud-Umstieg

Kein eigener Serverraum mehr, keine Angst vor Hardware-Ausfällen, keine komplizierten Updates – klingt erst einmal verlockend. Doch bevor Sie die IT Ihres Hauses in die Cloud verlagern, sollten Sie sich eine zentrale Frage stellen: Passt die Cloud wirklich zu Ihrem Krankenhaus? Denn so viele Vorteile sie bietet, so viele Herausforderungen müssen auch bedacht werden. Diese will ich nicht unerwähnt lassen.

Abhängigkeit vom Anbieter
Wer sich für eine Cloud-Lösung entscheidet, legt die eigene IT in die Hände eines externen Anbieters. Das hat Vorteile – weniger Aufwand, weniger technische Probleme, weniger interne Ressourcenbindung. Aber was passiert, wenn die Vertragskonditionen sich ändern? Wenn die Preise steigen? Oder wenn der Anbieter bestimmte Services nicht mehr unterstützt? Ein späterer Wechsel zurück zu einer lokalen Lösung oder zu einem anderen Cloud-Dienstleister kann kompliziert und teuer werden. Wer sich für die Cloud entscheidet, sollte deshalb nicht nur die aktuellen, sondern auch die langfristigen Bedingungen genau prüfen.

Kostenfrage – ist die Cloud wirklich günstiger?
Es klingt erst einmal logisch: Keine Investitionen in teure Hardware, keine Wartungskosten, kein teures IT-Personal für den Betrieb lokaler Server. Aber Vorsicht: Cloud-Kosten können sich mit der Zeit summieren. Gerade wenn viel Speicherplatz und Rechenleistung oder zusätzliche Services benötigt werden, steigen die laufenden Gebühren schnell an. Und wer glaubt, jederzeit problemlos zurück in die lokale IT wechseln zu können, wird oft von hohen Kosten für den Datenexport überrascht. Die Cloud kann finanziell attraktiv sein – aber nur, wenn die Gesamtkosten über mehrere Jahre hinweg realistisch kalkuliert werden.

Wo liegen die Daten wirklich?
Sensible Patientendaten gehören zu den am strengsten geschützten Informationen überhaupt. Klar ist: Die DSGVO gibt den Rahmen vor, aber nicht jeder Cloud-Anbieter erfüllt automatisch alle Anforderungen. Wo stehen die Server? Wie wird der Zugriff geregelt? Und was passiert, wenn Daten in Länder außerhalb der EU übertragen werden? Wer in die Cloud geht, sollte diese Fragen nicht erst im Nachhinein stellen. Eine enge Zusammenarbeit mit IT- und Datenschutzexperten ist Pflicht – denn Datenschutzverstöße können nicht nur teuer, sondern auch rufschädigend sein.

Internetausfall
Viele Krankenhäuser haben es bereits erlebt: Eine Störung im Rechenzentrum oder eine langsame Internetverbindung – und plötzlich läuft nichts mehr. Die Cloud ist nur so gut wie die Infrastruktur, die sie verbindet. Gibt es keine stabile, schnelle und redundante Internetverbindung, kann es schnell kritisch werden. Deshalb gilt: Wer in die Cloud wechselt, braucht einen soliden Notfallplan. Wie kann der Betrieb weiterlaufen, wenn der Zugang zur Cloud kurzfristig ausfällt? Sind genügend Backup-Mechanismen vorhanden? Nichts ist schlimmer, als wenn das IT-System in einem Notfall plötzlich nicht mehr verfügbar ist.

Integration in bestehende IT-Systeme
Viele Krankenhäuser haben eine IT, die über Jahre gewachsen ist – mit individuellen Anpassungen, Schnittstellen zu medizinischen Geräten und Verknüpfungen zu Abrechnungssystemen. Der Wechsel in die Cloud bedeutet nicht nur eine technische Umstellung, sondern kann auch tief in bestehende Prozesse eingreifen. Funktionieren alle Systeme nahtlos weiter? Oder entstehen neue Komplikationen, die den Arbeitsalltag eher verlangsamen als beschleunigen? Eine Cloud-Strategie muss von Anfang an mit der bestehenden IT-Architektur abgestimmt werden – sonst wird aus der erhofften Effizienzsteigerung schnell ein Flickenteppich aus neuen Problemen.

Fazit: Cloud? Ja, aber mit Plan!

Die Cloud kann vieles erleichtern: weniger technische Probleme, bessere Skalierbarkeit, modernere Sicherheitsmechanismen. Aber sie ist kein Allheilmittel und auch keine Entscheidung, die leichtfertig getroffen werden sollte. Wer sich für die Cloud entscheidet, sollte nicht nur auf die Vorteile schauen, sondern auch mögliche Risiken und langfristige Folgen bedenken. Eine klare Strategie, eine fundierte Risikoanalyse und eine sorgfältige Anbieterwahl sind entscheidend, damit die Cloud nicht nur eine moderne, sondern auch eine nachhaltige Lösung für Ihr Krankenhaus wird.

Sie finden diesen Artikel interessant und möchten ihn teilen?

Jan Becker

Experte eHealth und Digitalisierung

 

 
Mit 18 Jahren Erfahrung in verschiedenen Fach- und Managementpositionen in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen unterschiedlicher Größe und Trägerschaft verfügt Jan Becker über ein umfassendes technologisches Know-how. Das Interesse an einer nachhaltigen Transformation des Gesundheitssystems mit neuen und innovativen Ansätzen treibt ihn an. Neben einem Abschluss in Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Softwareentwicklung und Krankenhausmanagement verfügt Jan Becker über verschiedene zusätzliche Qualifikationen in Entrepreneurship, Innovation, Strategie und künstlicher Intelligenz.







    Die mit * markierten Felder müssen ausgefüllt werden.

    Lernen wir uns kennen.







      Die mit * markierten Felder müssen ausgefüllt werden.