Blog | Fachbeitrag
05.2024

Aktueller Stand zur PPR 2.0: Und sie kommt doch!

Drei Pflegekräfte laufen über einen Krankenhausflur

Bis zum Schluss drohte das Vorhaben zu scheitern, doch nun ist es beschlossen: Die Pflegepersonalregelung PPR 2.0 kommt zum 1. Juli 2024. Allerdings hat der Bundesrat am Inhalt der Verordnung einige Änderungen vorgenommen. Worauf sich Kliniken jetzt einstellen sollten.

Beinahe wäre sie noch auf den letzten Metern gestoppt worden, doch nun hat der Bundesrat der Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) und damit der PPR 2.0 als Bemessungsgrundlage zugestimmt. Am 26. April 2024 segnete die Länderkammer den Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) ab, allerdings mit einigen Änderungen und Ergänzungen, die der zuständige Gesundheitsausschuss zuvor empfohlen hatte. Die PPR 2.0 tritt nun zum 1. Juli 2024 in Kraft.

Nach jahrelanger Diskussion und einer Hängepartie bis zuletzt bekommen Kliniken jetzt wenigstens ein Stück weit Planungssicherheit zurück. Die verbleibende Zeit sollten sie bestmöglich nutzen, um die Ermittlung des Personalbedarfs und dessen Weitergabe an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) vorzubereiten.

So funktioniert die PPR 2.0

Die PPR 2.0 gibt künftig verbindlich vor, wie hoch die Anzahl der Pflegekräfte ist, die pro Schicht auf bettenführenden Stationen einer Klinik arbeiten. Dabei wird unterschieden zwischen der PPR 2.0 für Erwachsene und der PPR 2.0 für Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche. Die Regelung soll dazu dienen, eine bedarfsgerechte Pflege aller Patienten im Krankenhaus sicherzustellen. Gleichzeitig soll sie die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern und damit zur Fachkräftesicherung im Krankenhaus beitragen.

Um die Zahl der einzusetzenden Pflegekräfte für eine Station auszurechnen, sollen täglich alle Patienten auf einer Station erfasst und aufgrund der für sie notwendigen Pflegeleistungen einer Patientengruppe zugeordnet werden. Bei Erwachsenen gibt es 16, bei Kindern 48 Patientengruppen. Jeder Patientengruppe wird ein fester Minutenwert zugrunde gelegt. Die daraus errechneten Minuten werden wiederum in Vollzeitstellen umgerechnet. So ergibt sich der Soll-Wert für die Personalausstattung. Unterschreitet die tatsächliche Zahl von Pflegepersonal diesen Wert, sollen nach einer Übergangsphase Sanktionen fällig werden. Wie lang diese Übergangsphase gilt und welche Sanktionen fällig werden, ist gegenwärtig jedoch noch nicht geklärt.

Zunächst wird die PPR 2.0 für Erwachsene nur tagsüber von 6 Uhr bis 22 Uhr und nur auf Normalstationen gelten. In der Nacht werden weiter die Personaluntergrenzen nach PpUGV wirksam sein. Die PPR 2.0 für Kinder gilt hingegen auch für die Intensivstation und rund um die Uhr.

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Änderungen zum ursprünglichen Entwurf

​Im Vergleich zum ursprünglichen Verordnungsentwurf des BMG unterscheidet sich die vom Bundesrat verabschiedete Verordnung in einigen wesentlichen Punkten.

 

1. Neue Fristen
Die PPR 2.0 tritt zum 1. Juli 2024 in Kraft – und damit einen Monat später als im Entwurf geplant. Die Frist zur Übermittlung der Initialmeldung, in der die Kliniken dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) mitteilen sollen, welche Fachabteilungen und welche dazugehörigen Stationen vorhanden sind, wird vom 30. Juni 2024 auf den 31. August 2024 verlängert.

2. Änderungen beim Qualifikationsmix
Die Quote für Pflegehilfskräfte wird von zehn auf 20 Prozent angehoben. Dies soll Pflegefachkräfte stärker entlasten und den Krankenhäusern eine größere Flexibilität geben. Auch der Anteil an Pflegehilfskräften bei den Kindern wird von fünf auf zehn Prozent angehoben.

3. Vorerst keine Sanktionen
Bevor die PPR 2.0 sanktionsbehaftet wird, sollen die Arbeitsbedingungen verbessert und Bürokratie abgebaut werden. Auch soll sichergestellt werden, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt ausreichende Berücksichtigung findet, bevor Sanktionen eingeführt werden. Das heißt, nur wenn die Kliniken überhaupt die realistische Möglichkeit haben, Personal zu rekrutieren und ihre Personallücken zu schließen, können sie in die Pflicht genommen werden, fordert der Bundesrat.

4. Prüfung des Einsatzes der PPR 2.0 auf der Erwachsenen-Intensivstation
Die Bundesregierung wird gebeten, zu prüfen, ob der Geltungsbereich der Verordnung auch auf die Erwachsenen-Intensivstationen ausgeweitet werden kann. Denn eine vollständige Erfassung des Pflegepersonalbedarfes in Krankenhäusern solle alle Bereiche umfassen und insbesondere den pflegeintensiven Bereich der Erwachsenen-Intensivstationen von Anfang an einbeziehen, argumentiert die Länderkammer. Soweit keine neue Regelung erlassen wird, gelten die bestehenden Personaluntergrenzen weiter.

5. Evaluation
Das BMG wird dazu aufgefordert, die PPR 2.0 wissenschaftlich zu evaluieren. Dies soll dazu dienen, die PPR 2.0 sachgerecht weiterzuentwickeln.

Der lange Weg zur PPR 2.0

Schon im Juni 2019 einigten sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Deutsche Pflegerat (DPR) und die Gewerkschaft ver.di darauf, ein Pflegepersonalbemessungsinstrument zu entwickeln. Die drei Verbände verständigten sich im August 2019 auf erste Eckpunkte und anschließend auf die PPR 2.0. Diese basiert auf den Grundlagen der PPR aus dem Jahr 1992. Die PPR war 1997 wieder abgeschafft worden, wurde aber von vielen Krankenhäusern intern weiter als Grundlage für die Berechnung von Personalschlüsseln eingesetzt.

Die Ampel-Regierung vereinbarte in ihrem Koalitionsvertrag im Dezember 2021, die PPR 2.0 kurzfristig einzuführen. Doch dauerte es noch bis November 2023 bis das Ministerium den Referentenentwurf zur PPR 2.0 vorlegte. Darin war der 1. Januar 2024 für die Einführung der Regelung vorgesehen. Mehrere Pflegeverbände protestierten jedoch massiv und kritisierten den Zeitrahmen als zu eng. Daraufhin verschob das BMG die Einführung.

Im Februar 2024 wurde der Entwurf für die Pflegepersonalbemessungsverordnung schließlich dem Bundesrat zugeleitet. Dieser sollte in seiner Sitzung am 22. März darüber beschließen, damit die PPR 2.0 zum 1. Juni 2024 in Kraft treten könne. Doch erneut wurde die Abstimmung verschoben, weil die Bundesländer Bayern und Hamburg im Gesundheitsausschuss des Bundesrates Bedenken zum Entwurf äußerten. Am 26. April 2024 schließlich stimmte der Bundesrat der Verordnung zu – allerdings unter der Maßgabe zahlreicher Änderungen, die zuvor vom Gesundheitsausschuss empfohlen worden waren.

Herausforderungen bei der Einführung der PPR 2.0

Die Umsetzung der Verordnung in den Häusern benötigt einiges an Vorbereitungen. Einerseits müssen die Möglichkeiten für die elektronische Erfassung und Weiterleitung der Daten an das InEK geschaffen werden. Andererseits müssen die Pflegekräfte zu Inhalt und Anwendung der PPR 2.0 geschult werden.

Pro Tag und pro Patienten müssen für die PPR 2.0 aufwändige Einstufungen erfolgen. Krankenhäuser, deren Pflegedokumentation noch nicht digital erfolgt, sind daher im Nachteil. Dort wird von rund zehn Minuten Dokumentationsarbeit pro Patienten ausgegangen – das sind bei einer Station mit 30 Betten etwa fünf Stunden täglich.

Ein weiterer Punkt, der bedacht werden muss, ist die Kopplung des Pflegebudgets an den Personalbedarf, der per PPR 2.0 ermittelt wird. Es ist damit zu rechnen, dass die Personalbemessung die Budgetverhandlungen beeinflussen wird. Wie genau, bleibt noch abzuwarten.

Auch ist davon auszugehen, dass die PPR 2.0 einmal eingeführt nicht statisch bestehen bleibt. Die Personalbemessungsinstrumente sollen in den kommenden Jahren ständig wissenschaftlich weiterentwickelt werden. Es wird also weitere inhaltliche Veränderungen und Schulungsbedarf geben.

Vorbereitung auf die Umsetzung der PPR 2.0

Eine Pflegekraft sitzt am Computer.

Nun, da der Zeitpunkt der Einführung der PPR 2.0 feststeht, ist es höchste Zeit für Krankenhäuser, sich vorzubereiten, falls dies noch nicht geschehen ist. Folgende Schritte sollten kurzfristig erfolgen.

 

Schulung der Pflegekräfte
Zu den Inhalten der PPR 2.0 Erwachsene und der PPR 2.0 für Kinder in Kliniken mit Pädiatrie, Neonatologie und Kinder-Intensivstation müssen die Pflegekräfte umfassend geschult werden. Dabei kann der Schulungsaufwand unterschiedlich hoch sein, je nachdem, ob die alte PPR im Krankenhaus weiterhin angewendet wurde, ob die Dokumentierung bereits digital erfolgt und wie das Krankenhausinformationssystem aufgestellt ist. Ob die Schulung aller Kategorien auf allen Stationen notwendig ist, sollte jedoch kritisch hinterfragt werden. So müssen beispielsweise Pflegekräfte in der Gynäkologie nicht unbedingt in der höchsten Versorgungsstufe geschult werden, da Patienten dieser Kategorie im Regelfall nicht auf ihrer Station gepflegt werden.

Überprüfung der Dokumentation
Damit bei der Pflege eines Patienten zwischen den verschiedenen Akteuren keine Informationen verloren gehen, werden alle wichtigen Daten dokumentiert. Um den Aufwand einschätzen zu können, der auf die Klinik mit Einführung der PPR 2.0 zukommt, sollte das eigene Dokumentationssystem jetzt einer Prüfung unterzogen werden. Wie wird die Dokumentation durchgeführt? Was muss für künftige Dokumentationen angepasst werden? Welches digitale System von welchem Hersteller wird benutzt? Gibt es eine Pflegekurve? Die internen Meldewege sollten festgelegt werden. Wer übernimmt wann welche Aufgabe und welche Technik kommt dabei zum Einsatz?

Klärung des Datentransfers an das IneK
Wenn die Pflegedokumentation digital erfolgt, sollte der Datentransfer zuvor simuliert werden. Wenn die Dokumentation noch nicht digital erfolgt, sollte die Digitalisierung energisch vorangetrieben werden. Für den Übergangszeitraum muss die Abbildung der PPR 2.0 analog erfolgen. Dieses Vorgehen und die damit verbundene bürokratische Belastung aller Beteiligten sollte so kurz wie nur möglich andauern. Notwendige Software sollte so schnell es geht angeschafft und implementiert werden.

Berechnung des Personalbedarfs
Wenn bekannt ist, wie die Personalabdeckung nach PPR 2.0 ist, kann das Krankenhaus sich frühzeitig darauf einstellen, gegebenenfalls neue Pflegefachkräfte einzustellen. Mittels computergestützter Simulation lässt sich berechnen, wie viel Personal über PPR2.0 notwendig wird und wie groß die Differenz zur aktuell tatsächlichen Stellenbesetzung ist.

Festlegung der Erfassung und Übermittlung der Daten nach der PpUGV
Da in der Nacht weiterhin die PpUGV gilt, muss auch nachts die Zahl der tatsächlich verfügbaren Pflegepersonen regelmäßig erfasst und gemeldet werden. Ebenso wie bei den Daten für die PPR 2.0 muss festgelegt werden, wann, wie und von wem diese erhoben und weitergeleitet werden.

Ausblick

Die Kliniken stehen nun vor der Herausforderung, ihre Pflegekräfte zeitnah zu schulen und den Datentransfer zu ermöglichen. Insbesondere für Krankenhäuser, die noch nicht über eine digitale Pflegedokumentation verfügen, wird dies einige Zeit in Anspruch nehmen. Je früher damit begonnen wird, desto besser. Wichtig ist eine gute Zusammenarbeit mit dem Medizincontrolling bzw. der Abteilung, die in der Klinik für die Meldung an das InEK zuständig ist.

Zwar ist die Unterschreitung des Soll-Werts für Pflegekräfte bis auf weiteres nicht sanktionsbewehrt. Ziel der PPR 2.0 ist es aber, die Arbeitsbedingungen in der Pflege durch einen besseren Personalschlüssel zu verbessern. Die Krankenhäuser sind daher gut beraten, so früh wie möglich mit der Personalaufstockung zu beginnen und sich dem Soll-Wert anzunähern.

Klar ist aber auch, dass der Erfolg der PPR 2.0 letztlich wesentlich davon abhängt, ob die benötigten Pflegekräfte auch auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind. Dies hat auch der Bundesrat in seinen Änderungen noch einmal deutlich gemacht und mehr Zeit für die Kliniken herausgehandelt. Hier besteht weiterhin großer Handlungsbedarf für Politik, Berufsverbände und Kliniken, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern und diejenigen, die in der Pflege arbeiten, zu halten.

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Andrea Albrecht

Pflegemanagement, Pflegedirektion

Andrea Albrecht ist bei der consus-Tochterfirma HC&S als Pflegemanagerin tätig. Sie verfügt über mehr als 40 Jahre Berufserfahrung im Gesundheitswesen. Bereits wenige Jahre nach ihrer Ausbildung zur staatlich examinierten Kinderkrankenschwester übernahm sie eine Stationsleitung und stieg kurz darauf zur Pflegedienstleitung auf. Im Anschluss an ihr Pflegemanagement-Studium übernahm sie in verschiedenen Häusern die Position der Pflegedienstleitung. 2019 wurde sie vom Bundesverband Pflegemanagement und dem Springer-Verlag zur Pflegemanagerin des Jahres gekürt. Sie ist außerdem Systemischer Coach und Autorin von Buch- und Fachbeiträgen.

Annett Lallecke

Pflegemanagement und Organisationsentwicklung

Annett Lallecke ist ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin, Gesundheits- und Pflegewissenschaftlerin und Business Coach. Sie verfügt über weitreichende Kompetenzen in den Bereichen Personalentwicklung und Organisation.







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