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01.2023

Pädiatrie-Rechner: Was die neuen Erlösregelungen für Ihre Klinik bedeuten

Beim Entlassungsmanagement spielen viele Hände zusammen (Symbolbild)

Seit dem Jahreswechsel gelten neue Regelungen für die Erlöse aus der Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Das Ziel, die Pädiatrien der Krankenhäuser zu stärken, wird damit allerdings weitgehend verfehlt. Denn belohnt wird vor allem, wer künftig Leistungen zurückfährt. Erfahren Sie in diesem Beitrag alles, was Sie über die neuen Gesetze wissen sollten. Und ermitteln Sie mit unserem Rechner schnell und einfach die wirtschaftlichen Folgen für Ihre Klinik.

 

Am 1. Januar 2023 ist die lang angekündigte Neuregelung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Kraft getreten. Betroffen sind davon nicht nur Pädiatrien, sondern alle Kliniken, die junge Patienten im Alter zwischen 28 Tagen und 16 Jahren behandeln. Ähnlich wie bei den coronabedingten Erlösausgleichen orientieren sich die Ziel-Erlöse für 2023 und 2024 auch hier am Vor-Corona-Jahr 2019.

So berechnen sich die Zielerlöse 2023 und 2024

Das Erlösvolumen des Jahres 2019 wird für jedes Krankenhaus mit dem jeweiligen Landesbasisfallwert 2023 multipliziert. Dieser Wert wird um einen vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ermittelten Prozentsatz erhöht. Der Satz liegt vorläufig bei 12,075 Prozent. Das auf diese Weise ermittelte Erlösvolumen für das Jahr 2023 (und analog für das Jahr 2024) gibt vor, welchen Gesamterlös ein Haus für die Behandlung in dieser Patientengruppe erzielen soll. Der prozentuale Zuschlag wird auf die gesamten Fallpauschalen aller behandelten Kinder und Jugendlichen des Jahres abgerechnet (im Falle von besonderen Einrichtungen auf die hausindividuellen Entgelte) und gesondert auf den Rechnungen ausgewiesen.

Und wenn die Pädiatrie-Erlöse unter oder über den Zielwerten liegen?​

Mindererlöse im Vergleich zum ermittelten Erlösvolumen werden bei einer Unterschreitung von bis zu 20 Prozent vollständig ausgeglichen, bei höherer Unterschreitung zu 65 Prozent. Im Gegenzug werden Mehrerlöse zu 65 Prozent ausgeglichen. Mehrerlöse, die sich durch den Zuschlag ergeben, werden vollständig ausgeglichen. Zusätzlich zu diesen Regelungen muss ein Wirtschaftsprüfer nachweisen, dass die abgerechneten Beträge tatsächlich für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Mittel, die nicht zweckentsprechend verwendet werden, müssen zurückgezahlt werden.

»Viele Häuser werden von den
neuen Regelungen kaum profitieren.«

Warum die neuen Regelungen in der Praxis zu kurz greifen

Der neu eingeführte Zuschlag wird einige Häuser tatsächlich bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen unterstützen. Vom Festsetzen des Erlösvolumens auf das Niveau von 2019 werden insbesondere Häuser profitieren, deren Pädiatrie infolge der Pandemie stark betroffen war. Sie erhalten dadurch ein wirksames Mittel wirtschaftlicher Absicherung. Viele andere werden von den neuen Regelungen jedoch kaum profitieren. Und das hat mehrere Gründe.

Grund 1: Die Behandlung zusätzlicher Patienten wird unattraktiv

Eines der größten Probleme stellt der Mehrerlösausgleich von 65 Prozent dar. Dieser macht es für Häuser unattraktiv, über das Erlösvolumen des Jahres 2019 hinauszuwachsen. Zwar entspricht ein Abschlag von 35 Prozent auf zusätzliche Patienten der Regelhöhe des Fixkostendegressionsabschlags (FDA). Doch im Gegensatz zum FDA gibt es hier keine Ausnahmetatbestände und auch keine Begrenzung auf drei Jahre. Daran ändert auch der prozentuale Zuschlag nichts, da daraus resultierende Mehrerlöse vollständig zurückbezahlt werden müssen.

»Die Neuregelung setzt klare Anreize, eine Pädiatrie nicht weiter wachsen zu lassen.«

Mit anderen Worten: Die Neuregelung setzt klare Anreize, eine Pädiatrie nicht weiter wachsen zu lassen. Dieses Vorgehen erscheint angesichts der Ankündigung, die Versorgung von Kindern und Jugendlichen verbessern zu wollen, zumindest fragwürdig.

Grund 2: Zurückfahren von Pädiatrie-Leistungen wird belohnt

Sogar noch weiter weg vom Ziel der Verbesserung dürften in der Praxis die vereinbarten Regelungen zum Mindererlösausgleich führen. Die Regelung sieht vor, dass Mindererlöse bis zu einer Höhe von 20 Prozent vollständig auf das Erlösvolumen ausgeglichen werden. Rein wirtschaftlich betrachtet bedeutet das: Kliniken profitieren dann am meisten, wenn sie Ihre Erlöse auf 80 Prozent zurückfahren. Sie erhalten dann trotzdem das gesamte zuvor festgelegte Erlösvolumen, sparen aber gleichzeitig die Behandlungskosten für die restlichen 20 Prozent ein.

Die Regelungen eröffnen somit zwar einigen krisengebeutelten Kliniken einen wirkungsvollen Rettungsschirm im Hinblick auf gesunkene Pädiatrie-Erlöse. Für das Gros der Häuser bieten sie jedoch unter dem Strich keinerlei Anreiz, mehr als 80 Prozent – geschweige denn 100 Prozent – des berechneten Erlösvolumens durch die Behandlung junger Patienten zu erzielen. Klingt das nach Stärkung der Pädiatrie?

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Grund 3: Sonderfälle bleiben schwammig

Unzureichend berücksichtigt werden durch die neuen Regelungen außerdem Sonderfälle – etwa eine Erhöhung von Planbetten, die zu einem erhöhten Patientenaufkommen führt oder das Schließen einer Pädiatrie im Einzugskreis, wodurch sich Patientenströme für die verbliebenen Kliniken erhöhen. Zwar wird hierzu festgehalten, dass die Vertragsparteien nach §11 eine abweichende Ausgleichshöhe vereinbaren können, „um unzumutbare Härten zu vermeiden“. Daraus folgen jedoch wiederum andere Probleme: Zum einen beschreibt „unzumutbare Härten“ einen sehr schwerwiegenden Zustand, der in der Praxis sicherlich nicht leicht zu erfüllen sein wird. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die Kostenträger den Krankenhäusern auch dann zusätzliche Mittel bereitstellen, wenn dazu keine Verpflichtung besteht.

Grund 4: Nachweispflichten erhöhen den Aufwand

Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass Kliniken eine Bestätigung des Jahresabschlussprüfers über die zweckentsprechende Mittelverwendung vorlegen müssen. Wie sich schon beim Pflegebudget oft gezeigt hat, sind derartige Bestätigungen keine Garantie dafür, dass die Vertragsparteien die dort ausgewiesenen Beträge auch akzeptieren und mit den Häusern vereinbaren.

»Besonders kompliziert werden sich die Nachweispflichten in Häusern ohne eigenständige Pädiatrie gestalten.«

Doch auch die Erstellung solcher Nachweise kann sich in der Praxis sehr kompliziert gestalten: Häuser mit eigenständiger Pädiatrie können die angefallenen Behandlungskosten vielleicht noch vergleichsweise einfach ermitteln. Aber schon hier werden sich Abgrenzungsfragen ergeben, da nicht alle pädiatrischen Patienten genau zur definierten Altersgruppe zwischen 28 Tagen und 16 Jahren gehören und sich die Kosten ohne eine Kostenträgerrechnung schwer ermitteln lassen. Noch komplizierter werden sich die Nachweispflichten in Häusern ohne eigenständige Pädiatrie gestalten. Denn wie sollen solche Häuser, die auf ihren sonstigen Fachabteilungen auch Kinder und Jugendliche behandeln, die exakten Kosten für die Behandlung dieser verstreuten Patienten ermitteln?

Fazit: Die neuen Regelungen stärken die Pädiatrie nicht – im Gegenteil

Wie beschrieben, haben insbesondere die neu eingeführten Erlösausgleichsregelungen Effekte, die dem Ziel der Stärkung der Pädiatrie offensichtlich entgegenstehen. Der eingeführte Mindererlösausgleich ist zwar eine gute Regelung, um von der Corona-Krise angeschlagene Krankenhäuser zu unterstützen. Jedoch trägt der Mehrerlösausgleich in seiner derzeitigen Form nicht dazu bei, die Krankenhäuser zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zu animieren. Durch die Komplexität der Nachweisregelungen drohen zudem vielen Kliniken Rückzahlungen aufgrund der zu testierenden zweckentsprechenden Mittelverwendung. Doch dafür müssen sich die Häuser erst einmal ausreichend mit dem Thema auseinandersetzen.

Dazu gehört auch, verstärkten Fokus auf die Budgetverhandlungen mit den Kostenträgern zu legen. Denn im Rahmen der Budgetverhandlung bieten sich neue Möglichkeiten zum Umgang mit den Ausgleichssätzen und der zweckentsprechenden Mittelverwendung, um empfindliche wirtschaftliche Sanktionen abzuwenden. In Verbindung mit Themen wie Pflegebudget, FDA und den wieder eingeführten Erlösausgleichsregelungen werden die Budgetverhandlungen im Krankenhaus somit für alle Kliniken künftig zu einem noch essentielleren Erfolgsfaktor.

Erlösausgleichsrechner

Wie wirken sich die Neuerungen auf meine Klinik aus?

Rechnen Sie es sich jetzt aus – mit unserem kostenlosen Excel-Tool! Auf Basis der vom InEK veröffentlichten Erlösvolumina aller deutschen Krankenhäuser berechnet der Erlösausgleichsrechner schnell und einfach die finanziellen Auswirkungen der neuen Regeln zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen auf Ihr Haus.

Und so geht’s:

 

  1. Wählen Sie in der Liste Ihre Klinik aus.
  2. Tragen Sie beispielsweise Ihre Planerlöse oder Ihre Ist-Erlöse des Vorjahres für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen ein.
  3. Fertig: Sie sehen jetzt auf einen Blick, ob Sie Ausgleichszahlungen für Mehrerlöse leisten müssen – oder ob Sie Geld aufgrund von Mindererlösen erhalten.

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Lars Neufer

Lars Neufer

Leitender Budgetverhandler

 

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